e-Residency Estland: Unternehmen und Geschäftskonto eröffnen leicht gemacht
e-Residency Estland:
Unternehmen und Geschäftskonto eröffnen leicht gemacht
Estland ist mit seinem eigenen Silicon Valley am Flughafen und der Creative City Telliskivi ein absolutes Hub für IT-Startups. Esten sind extrem gut gebildet, die jüngere Genration spricht durchgehend gutes Englisch und zumindest Tallinn bietet eine hohe Lebensqualität. Einzige Mankos für digitale Nomaden sind das schlechte Wetter und die fehlenden Coworking Spaces. Dafür gibt es fast in der ganzen Stadt super schnelles, kostenfreies WLAN. Seit Mai 2015 kann jeder Mensch der Welt e-Resident von Estland werden. Damit wird man nicht zum estnischen Staatsbürger, kann aber mit einer ID-Karte als virtueller Einwohner verschiedene Services der estnischen Regierung in Anspruch nehmen und Dokumente digital unterzeichnen. Seit Mitte 2015 bin ich einer der ersten e-Residents, ganz einfach weil ich neugierig war und das Konzept aus ideologischen Gründen unterstützen möchte. Anfang 2016 habe ich gemeinsam mit einem Partner auch eine estnische Firma gegründet und im August 2016 waren wir in Tallinn, um ein Bankkonto zu eröffnen und mit Leuten vor Ort zu sprechen. Ich kann dir vorab sagen, dass der Prozess sehr unproblematisch ablief und weder Dokumente noch viel Geld für die Gründung benötigt wird. Wenn du als ortsunabhängiger Unternehmer keinen festen oder einen wechselndem Wohnsitz hast und deine Kunden in Deutschland bzw. Europa sitzen, ist die Gründung in Estland für dich eine Option. Dafür sprechen der schnelle Gründungsprozess, die niedrigen Verwaltungskosten, moderate Steuersätze und die komplett digitale Verwaltung des Unternehmens. In diesem Erfahrungsbericht möchte ich dir zeigen, wie du ein Unternehmen inklusive Geschäftskonto in Estland eröffnen kannst. Dabei bitte ich dich zu berücksichtigen, dass ich bisher keine langfristigen Erfahrungswerte sammeln konnte (z.B. zum Jahresabschluss und der Steuererklärung). Sobald ich diese habe, werde ich den Beitrag erweitern. Ein Hinweis vorab: Es geht bei der Firmierung in Estland nicht vorrangig um Steuerersparnisse oder um verrückte Internationalisierungsstrategien. Es ist einfach ein sehr unkomplizierter Weg, um außerhalb Deutschlands ein Unternehmen mit Geschäftskonto zu eröffnen. Das estnische Steuersystem ist unkompliziert und transparent, sicher aber nicht im Wettbewerb mit Steuerparadiesen.Unternehmen gründen in Estland
Ein guter Grund für die Gründung in Estland ist, dass du dort keinen Wohnsitz haben musst, sondern auch als Non-Resident gründen kannst. Außerdem sind der einfache Gründungsprozess, die komplett digitale Administration und die geringen Verwaltungskosten ein Traum für jeden digitalen Nomaden und Inhaber kleiner Unternehmen - egal ob wohnhaft in Deutschland oder unterwegs in der Welt. Auch steuerlich gesehen sind estnische Unternehmen mit einem flachen Steuersatz von 20% (Gewinne werden erst nach Ausschüttung besteuert) eine gute Option und haben einen deutlich besseren Ruf als viele Offshore-Standorte. Aber mehr über die Besteuerung in Estland am Ende dieses Beitrags. Voraussetzung für die einfache Eröffnung von Unternehmen und Bankkonto in Estland ist die e-Residency. Erst wenn du deine smart ID Card (digitale Identität) erhältst, kannst du dich über ein Kartenlesegerät im Online-Portal der estnischen Regierung einloggen und verschiedene Services nutzen. Wie genau du zum e-Resident wirst, kannst du in diesem Artikel nachlesen. Für die Unternehmensgründung in Estland brauchst du nicht zwingend ein estnisches Geschäftskonto. Anders als in vielen anderen Offshore-Standorten wird auch keine Sekretärin oder ein Direktor vor Ort benötigt. Das spart so einiges an Verwaltungskosten. Was du für die Unternehmensgründung benötigst, sind die folgenden Dinge:- e-Residency Card: zur Unternehmensgründung musst du e-Resident sein und brauchst deine smart ID Card samt Kartenleser. Wie du e-Resident wirst, kannst du in diesem Artikel nachlesen.
- 145 Euro Anmeldegebühr: die Anmeldegebühr musst du nach dem Ausfüllen des Online-Formulars überweisen, damit die Registrierung weiter bearbeitet wird. Es gibt auch ein Schnellverfahren, das 190 Euro kostet.
- Virtuelle Geschäftsadresse: du brauchst eine Geschäftsadresse in Estland. Hier eine Auswahl an Anbietern, wobei ich dir die Firma Xolo (früher LeapIN) wärmstens empfehlen kann.
- Articles of Association: den Gesellschaftsvertrag kannst du einer Vorlage aus dem Company Registration Portal entnehmen oder in englischer Sprache selbst verfassen (lassen).
- Business Name (Unternehmensname): überprüfe vorher im Unternehmensregister, ob dein Unternehmensname bereits registriert ist.
- Adress (Virtuelle Geschäftsadresse): hier brauchst du eine estnische Geschäftsadresse, die im Unternehmensregister hinterlegt wird (Auswahl an Anbietern für virtuelle Geschäftsadressen).
- Capital (Stammkapital): standardmäßig sind hier 2.500 Euro eingetragen, die du aber nicht sofort einzahlen musst. Setze einfach einen Haken bei "Establish the company without making capital contribution". Jetzt hast du bis zu 10 Jahre Zeit, das Stammkapital aufzubauen.
- Founders (Gründer): hier trägst du dich als Gründer und eventuell deine Partner, die auch e-Resident sein müssen, ein.
- Articles of Association (Gesellschaftsvertrag): die Vorlage des Gesellschaftsvertrages musst du an den gekennzeichneten Stellen anpassen.
- Antrag absenden: im Schritt "Confirmation of the petition" bestätigst du deine Angaben und erhältst daraufhin die Details zur Banküberweisung der Anmeldegebühr.
Bankkonto eröffnen in Estland
Seit Anfang 2019 brauchst du kein estnisches Geschäftskonto mehr, um Steuererklärungen online einzureichen oder dein Stammkapital einzuzahlen. Das Geschäftskonto kann sich in einem beliebigen EU-Land oder in Island, Lichtenstein oder Norwegen befinden. Im Grunde hast du 3 Optionen zur Eröffnung eines Geschäftskontos für die estnische Firma:- Banken in Estland: zur Kontoeröffnung bei traditionellen Filialbanken musst du dich immer noch vor Ort verifizieren lassen.
- Banken in anderen EU-Staaten (+ Island, Lichtenstein oder Norwegen): seit Anfang 2019 ist es auch möglich, Bankkonten in anderen europäischen Ländern für die estnische Firma zu nutzen.
- Zahlungsinstitute in EU-Staaten (digitale Konten): dank digitaler Bankkonten bei Holvi, Paysera oder Payoneer funktioniert die Kontoeröffnung innerhalb eines Tages komplett digital.
- keine Gebühren für Kontoeröffnung und Kontoführung
- gebührenfreie Überweisungen im SEPA-Raum (Europa)
- Debitkarte (MasterCard) ohne Jahresgebühren
- Zugang zu Krediten und Anlageoptionen
- Gebühren für Bargeldabhebungen betragen 1 Euro in der EU (2 Euro außerhalb von Europa)
- Field of Activity: das sollte sich mit deinem im Unternehmensregister eingetragenen Geschäftszweck decken. Halte es so allgemein und verständlich wie möglich.
- Business Interests in Estonia: hier sollte klar werden, warum du das Geschäftskonto brauchst. Dort sollte nicht stehen, dass du gerne um die Welt reist oder die Steuern in Deutschland zu hoch sind, sondern etwas wie "Investing in the Estonian and Baltic stock market" oder "Handling business operations for Estonian company".
- Estimated sum of receivables and payments: auch wenn dein Unternehmen momentan noch keine Umsätze macht, sollte hier nicht Null stehen. Eine Bank will schließlich Geld verdienen, weshalb du deine Einnahmen und Ausgaben ruhig optimistisch kalkulieren kannst.
Ein spannendes Thema, oder?
Services von fremden Regierungen in Anspruch zu nehmen, bedeutet letztendlich auch mehr Selbstbestimmung in deinem Leben. Wie du dich unabhängig von Instutionen, Büros und anderen Verpflichtungen machst, darum geht es im Wireless Life Guide. Zum Wireless Life GuideSteuerpflichten in Estland
Vorab: wenn du nicht in Estland wohnst, bist du dort auch nicht persönlich steuerpflichtig. Daran ändert auch die e-Residency nichts. Steuern zahlen musst du jedoch auf Unternehmensgewinne (Profit Tax) und eventuell auf laufende Umsätze (VAT). Unternehmensgewinne aller Rechtsformen sind solange von der Steuer ausgenommen, wie sie nicht ausgeschüttet werden. Das gilt sowohl für Gewinne aus dem laufenden Geschäft wie auch Dividenden. Solange du in dein Business reinvestierst bzw. die Gewinne auf dem estnischen Bankkonto belässt, ohne dir ein Gehalt auszuzahlen oder anderweitig Geld vom Geschäftskonto zu entnehmen, bezahlst du auch keine Steuern. Besteuert werden Gewinne, anders als in Deutschland, erst in dem Moment, in dem sie als Gehalt oder Ausschüttungen ausgezahlt werden, wobei der Steuersatz glatte 20% beträgt. Es gibt drei Möglichkeiten, Geld aus der Firma zu entnehmen:- Dividends (Ausschüttungen): nachdem das Stammkapital von 2.500 Euro voll eingezahlt ist, kannst du Gewinne des Vorjahres an dich und andere Anteilseigner ausschütten. Für die ausgezahlten Dividenden wird dein Unternehmen mit 20% Profit Tax (Ertragssteuer) in Estland besteuert. Du wirst als Person nicht in Estland besteuert, musst die Ausschüttung aber an deinem steuerlichen Wohnsitz als Kapitalerträge versteuern.
- Management board member salary (Geschäftsführervergütung): die Vergütung für deine Arbeit als Direktor/Vorstand des Unternehmens wird bei Auszahlung mit 20% Income Tax (Einkommenssteuer) in Estland besteuert. Unabhängig davon, ob du in Estland lebst oder nicht, kommen weitere 33% Social Tax hinzu, wenn du nicht nachweisen kannst, dass du Sozialabgaben in einem anderen EU-Land leistet. Eine Doppelbesteuerung der Vergütung gibt es dank eines Abkommens zwischen Estland und Deutschland nicht.
- Employee salary (Gehalt): wenn du deine Arbeit als Angestellter (als Experte, nicht als Manager) deines eigenen Unternehmens außerhalb Estlands verrichtest (Nicht-Resident) musst du das ausgezahlte Gehalt nicht in Estland versteuern. Der Mindeststundenlohn beträgt übrigens 2,34 Euro. Ob und wo das Einkommen dann von dir versteuert wird, interessiert Estland herzlich wenig. Hast du irgendwo auf der Welt einen festen Wohnsitz, bist du dort wahrscheinlich auch steuerpflichtig und musst das Einkommen bei der Steuererklärung angeben.
Eine VAT Number (Umsatzsteuer) musst du dann anmelden, wenn die jährlichen Umsätze über 40.000 Euro liegen. Spätestens drei Tage nachdem diese Umsatzgrenze überschritten ist, musst du dich beim Estonian Tax and Customs Board registrieren. Die USt-Erklärung muss jeweils am 20. des Folgemonats online eingereicht werden.
[caption id="attachment_5602" align="aligncenter" width="800"] Altstadt von Tallinn[/caption]Wie geht's weiter mit der e-Residency?
Ende 2018 gab es bereits über 50.000 e-Residents aus 165 Ländern, die über 6.000 Firmen gegründet haben. Bis 2025 sollen es 10 Millionen e-Residents werden. Damit hat der kleine baltische EU-Staat mit gerade einmal 1,3 Millionen Einwohnern zumindest weltweite Aufmerksamkeit bekommen. Das Pilotprojekt, regierungsnahe Dienstleistungen für Ausländer anzubieten, wird mittlerweile auch an anderen Orten ernsthaft diskutiert. Die Vision hinter der e-Residency ist weit mehr, als Nicht-Residents die Unternehmensanmeldung zu erleichtern. Eine mutige Regierung handelt hier ähnlich wie ein privat geführtes Startup, um ihren eigenen Bürgern und allen Menschen weltweit, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, die ganzheitliche Verwaltung aller geschäftlichen Aktivitäten zu ermöglichen. Innovative Technologien wie die Blockchain, ID-Verifizierung via Videotelefonie, sichere Verschlüsselungen und digitale ID's machen es möglich. Privat geführte Unternehmen nutzen diese schon lange aber das eine fortschrittliche Regierung eines (wenn auch kleinen) Landes sich aus Angst vor Kontrollverlust nicht davor versperrt, finde ich das äußerst spannend. Belohnt wird Estland mit zusätzlichen Steuereinnahmen, einer größeren Bekanntheit in der Welt (dadurch wieder mehr Tourismus) und mehr Einnahmen für estnische Unternehmen, die Services rund um die e-Residency anbieten. Dank solcher Modelle haben wir als Weltenbürger immer mehr Alternativen und müssen uns immer weniger nach den Regulierungen einer Regierung oder anderer Institutionen richten. Genau aus diesen Gründen bin ich begeistert von der Idee der e-Residency und bin gespannt, wo die Reise hingeht. Wann wirst du virtueller Einwohner von Estland?
Themen:
WIRELESS
Vorheriges Thema
← Berufsunfähigkeitsversicherung für PolizistenNächstes Thema
Bürgergeld: Voraussetzungen, Einkommen und Vermögen →Noch mehr Ideen!
e-Residency in Estland: Unternehmensgründung, Kontoeröffnung und Besteuerung
e-Residency in Estland: Unternehmensgründung, Kontoeröffnung und Besteuerung
08.12.2023 00:00:00
17
min
e-Residency in Estland
e-Residency in Estland
08.12.2023 00:00:00
8
min
Ein schneller und ein besserer Weg zum Geld verdienen im Internet
Ein schneller und ein besserer Weg zum Geld verdienen im Internet
08.12.2023 00:00:00
5
min