e-Residency in Estland: Unternehmensgründung, Kontoeröffnung und Besteuerung

17 min
08.12.2023 00:00:00

e-Residency in Estland:

Unternehmensgründung, Kontoeröffnung und Besteuerung als e-Resident

Meiner Meinung nach ist das e-Residency Programm der estnischen Regierung eine spannende Innovation, die auch in der praktischen Anwendung immer mehr Vorteile mit sich bringt. Die Regierung eines kleinen Landes agiert wie ein Startup und stellt Ausländern öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung. Das allein ist für mich Grund genug, um die Entwicklungen zu verfolgen. Über meine Erfahrungen als e-Resident von Estland sowie die Unternehmensgründung und Kontoeröffnung in dem baltischen Staat habe ich bereits geschrieben. Beide Artikel haben viel Aufmerksamkeit und auch Fragen auf sich gezogen, die ich in diesem Beitrag zusammenfassend beantworten möchte. Sollten deine Fragen in diesem Beitrag unbeantwortet bleiben, dann schreibe sie bitte in die Kommentare. Ich werde mich bemühen, diese zu beantworten und den Artikel im Laufe der Zeit zu erweitern. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass dieser Artikel keine Werbung für Estland als Unternehmensstandort ist. Es gibt wie immer Vor- und Nachteile. Nach dem Lesen des Beitrags kannst du hoffentlich eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob Estland für dich geeignet ist oder nicht. In einem Webinar vom 29.03.2017 hat Erik Mell, der Geschäftsführer der estnischen Gründungsagentur Xolo (früher LeapIN), viele Leserfragen rund um Estland als Firmenstandort beantwortet. Das Gespräch wurde teils auf Englisch, teils auf Deutsch geführt, wobei die meisten Fragen und Antworten auch in diesem Artikel verschriftlicht sind. Die Aufzeichnung kannst du dir direkt hier oder auf Facebook ansehen. Xolo Leap & Xolo Go: solltest du mit Xolo (früher LeapIN) zusammenarbeiten wollen, bekomme ich eine Provision von 50 Euro, nachdem du dich über meinen Affiliate-Link angemeldet hast. Unabhängig davon kann ich dir Xolo wärmstens empfehlen und du hast eine tolle Möglichkeit, dich für den hilfreichen Artikel zu bedanken.

Fragen zum e-Residency Programm in Estland

Seit 2015 kann sich jeder Mensch, unabhängig der Nationalität, für die estnische e-Residency bewerben. Als e-Resident kannst du dich über eine ID-Karte virtuell ausweisen und verschiedene Services der estnischen Regierung nutzen. Welche Vorteile habe ich als e-Resident? Zunächst sei gesagt, dass du als e-Resident keinerlei Verpflichtungen eingehst. Du kannst innerhalb eines Tages ein Unternehmen komplett online eröffnen, das digitale Unternehmensregister einsehen und Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für dein Unternehmen einreichen. Über die Smart ID Card kannst du ein Konto mit der estnischen LHV, der Swedbank und SEB Bank eröffnen. Du kannst komplett online europäische Patente, Handelsmarken und Warenzeichen anmelden. Alle Verträge und Dokumente unterzeichnest du dabei digital. Welchen Status hat die e-Residency? Die e-Residency ist nicht gleichzusetzen mit einer Staatsbürgerschaft, einer Arbeitserlaubnis oder einem steuerlichen Wohnsitz. Als e-Resident bist du ein virtueller Bürger von Estland, was keinerlei Pflichten mit sich bringt. In anderen Ländern kannst du mit der ID Karte nichts anfangen. Wer kann sich als e-Resident bewerben? Bewerben kann sich grundsätzlich jeder, der über 18 Jahre alt und nicht vorbestraft ist. Solltest du vorbestraft sein, musst du dich bei der Bewerbung erklären. Was kostet die Bewerbung als e-Resident? Die Gebühr beträgt 100 Euro (plus ca. 2 Euro Kartengebühr) und muss per Kreditkarte bezahlt werden. Die Zahlungsaufforderung bekommst du nach dem Ausfüllen des Online-Antrags. Wenige Minuten nach der Zahlung bekommst du eine Bestätigung über den Geldeingang von der “Politsei- ja Piirivalveamet” in Estland. Wie lange dauert der Bewerbungsprozess? Bei mir hat der gesamte Prozess von der Bewerbung bis zur Abholung der Smart ID Card knapp zwei Monate gedauert, andere haben es in einem Monat geschafft. Derzeit wird auf der Webseite von e-Estonia aufgrund der erhöhten Nachfrage auf verlängerte Wartezeiten hingewiesen. Plane also mindestens einen Monat ein. Wie bewerbe ich mich für die e-Residency? Du füllst auf der Seite von e-Estonia einen Antrag aus. Neben deinen persönlichen Angaben musst du ein paar Sätze zu deiner Motivation für die Bewerbung schreiben und ein Passfoto sowie einen Scan deines Reisepasses oder Personalausweises hochladen. Nach 2-4 Wochen solltest du eine E-Mail vom Estonian Police and Border Guard Board (Bundesgrenzschutz) darüber bekommen, ob deine Bewerbung akzeptiert wurde. Wieder ein paar Wochen später bekommst du die E-Mail mit der Aufforderung zur Abholung deiner Smart ID Card bei deinem angegebenen Standort. Mehr zum Bewerbungsablauf kannst du hier nachlesen. Wo hole ich die Smart ID Card ab? Abgeholt werden kann deine Smart ID Card und das Starter Kit mit dem Kartenlesegerät in einem von insgesamt 38 estnischen Konsulaten in Europa, Asien und den USA. Mitbringen zur Abholung musst du nur dein Ausweisdokument, das du bei der Bewerbung angegeben hast. Vor Ort werden dann noch deine Fingerabdrücke genommen. Kann eine andere Person die Smart ID Card für mich abholen? Nein, du musst deine Karte persönlich abholen, da neben der Identifizierung deiner Person über dein Ausweisdokument auch deine Fingerabdrücke genommen werden. Ist die e-Residency zeitlich befristet? Die e-Residency an sich ist nicht befristet aber genauso wie andere Ausweisdokumente hat auch die Smart ID Card ein Ablaufdatum. Anfänglich waren es drei Jahre. Stand 2019 haben die Karten eine Laufzeit von 5 Jahren. Danach können sie nicht verlängert, sondern müssen komplett neu beantragt werden. Wie nutze ich die Smart ID Card? Bevor du dich im Online-Portal von e-Estland anmelden kannst, musst du zuerst die Software für deine ID Karte herunterladen (DigiDoc3 Client und ID-card utility). Ein paar Stunden (kann auch bis zu 5 Tage dauern) nach der ersten Anmeldung im Online-Portal von e-Estland werden die Zertifikate für deine Smart ID Card aktiviert, womit du dann alle Services der e-Residency nutzen kannst.

Fragen zur Unternehmensgründung in Estland

Als e-Resident kannst du innerhalb weniger Tage ein Unternehmen in Estland anmelden (der Weltrekord für die Unternehmensgründung in Estland liegt bei 18 Minuten). Das Ganze geschieht komplett online und ist vergleichsweise günstig. Eines ist Estland aber ganz sicher nicht: ein Steuerparadies. Welche Gründe sprechen für Estland als Unternehmensstandort? Es sind vor allem drei gute Gründe, die für Estland sprechen: die niedrigen Kosten, eine bequeme Online-Verwaltung des Unternehmens und die Gründung ohne Wohnsitz in Estland. Damit wird Estland zur Option für alle Leute ohne festen Wohnsitz. Auch wenn Estland alles andere als eine Steueroase ist, ist interessant zu wissen, dass Gewinne erst dann besteuert werden, wenn sie das Land verlassen. Welche Gründe sprechen gegen Estland als Unternehmensstandort? Estland ist kein Land zur Steueroptimierung. Es besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland und Informationen werden bereitwillig mit Behörden in anderen Länden ausgetauscht. Auch haben viele Deutsche noch negative Assoziationen, wenn sie eine Rechnung von einer Limited bekommen bzw. diese im Impressum einer Webseite sehen. Ist die Anmeldung eines Unternehmens in Estland sinnvoll für mich? Ganz allgemein gesprochen, macht Estland als Unternehmensstandort dann Sinn, wenn du dich in einem internationalen Umfeld bewegst. Entweder du bist selbst als digitaler Nomade oder Freelancer in der Welt unterwegs oder deine Kunden sind über den Globus verteilt. Wenn du in Deutschland wohnst und deutsche Kunden bedienst, dann ist Estland nicht attraktiv für dich. Für welche Geschäftsmodelle eignet sich Estland als Unternehmensstandort? Das e-Residency Programm zielt ganz klar auf Freelancer und kleine Online Unternehmen ab, die international aktiv sind. Dabei ist es egal, ob du Dienstleistungen über das Internet anbietest, digitale oder physische Produkte verkaufst. Die Agentur Xolo arbeitet aufgrund des Buchhaltungsaufwand derzeit nicht mit Online-Händlern zusammen, was das Geschäftsmodell FBA jedoch nicht generell für Estland ausschließt. Welche Rechtsformen gibt es für Unternehmen in Estland? Die üblichste und empfohlene Rechtsform ist eine Private Limited Company (osaühing – OÜ), die ähnlich der deutschen GmbH ist. Nach Einzahlung eines Stammkapitals von mindestens 2.500 Euro ist die Haftung auf das Vermögen des Unternehmen beschränkt. Neben der PLC gibst es noch den Sole Proprietor (Einzelunternehmen), die Limited Partnership (KG), General Partnership (OHG), Public Private Company (AG) und Non-Profit Association. Weitere Informationen zu den Rechtsformen findest du hier. Was passiert, wenn ich das Stammkapital von 2.500 Euro nicht einzahle? Bei der Online-Registrierung deiner Private Limited Company kannst du einen Haken bei “Establish the company without making capital contribution” setzen und die Einzahlung später vorzunehmen. Es gibt zwar keine Verpflichtung zur Einzahlung des Stammkapitals von mindestens 2.500 Euro, jedoch wird erst dann die Haftung auf das Firmenvermögen beschränkt. Bis zur Einzahlung haftest du mit deinem Privatvermögen. Auch Dividenden können erst ausgezahlt werden, sobald die Stammeinlage eingezahlt wurde. Wie zahle ich das Stammkapital ein? Die Einlage musste bis Anfang 2019 zwingend auf ein estnisches Geschäftskonto eingezahlt werden, selbst wenn ein Geschäftskonto in einem anderen Land besteht. Mittlerweile kann es auch auf Geschäftskonten in anderen Staaten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) eingezahlt werden. Das Stammkapital muss von dem Privatkonto des Anteilseigners kommen und darf nicht aus den erwirtschafteten Gewinnen des Unternehmens stammen. Die Bank muss dann eine Bescheinigung ausstellen, die im Company Portal eingereicht wird (sehr unkompliziert ist der Vorgang bei der LHV und Holvi). Brauche ich einen lokalen Ansprechpartner für mein Unternehmen in Estland? Nicht wenn du einen Wohnsitz in der EU oder der Schweiz hast. Wenn dein Wohnsitz als Eigentümer des Unternehmens in einem anderen Land ist, dann musst du einen lokalen Repräsentanten benennen. Diese Person oder Agentur ist Ansprechpartner für estnische Behörden, ist aber nicht mit Vollmachten oder Pflichten für dein Unternehmen ausgestattet. Kann ich auch mit mehreren Gesellschaftern gründen? Bei der Registrierung hast du die Möglichkeit neben deiner Person auch weitere Gesellschafter einzutragen, die ebenfalls e-Resident sein müssen. Die Anzahl der Gesellschafter und die Verteilung der Anteile kann jederzeit über den Online-Antrag im e-Business Register geändert werden. Die Agentur Xolo betreut derzeit jedoch nur Unternehmen mit einem einzigen Gesellschafter. Kann ein ausländisches Unternehmen Eigentümer einer Private Public Company in Estland sein? Ja, das ist grundsätzlich möglich in Estland. Jedoch kann das estnische Unternehmen dann nicht mit der Smart ID Card gegründet und verwaltet werden, da die Karte nur auf Personen ausgestellt wird. Muss ich zur Anmeldung des Unternehmens nach Estland reisen? Nein. Die Anmeldung erfolgt komplett online, ohne dass du nach Tallinn reisen oder jemals ein Stück Papier anfassen musst. Lediglich zur Eröffnung eines Geschäftskontos mit einer Filialbank (LHV, Swedbank, SEB) musst du vor Ort sein, wobei es auch hier Alternativen gibt. Was brauche ich, um ein Unternehmen in Estland zu gründen? Für die Anmeldung einer Private Limited Company über das Online-Portal brauchst du die e-Residency Card, eine Geschäftsadresse in Estland und einen Gesellschaftsvertrag in englischer Sprache. Sollte sich dein Wohnsitz außerhalb der EU befinden, musst du zudem einen Repräsentanten in Estland benennen. Zur Gründung benötigst du nicht zwingend ein estnisches Geschäftskonto. Wie lange dauert die Registrierung einer neuen Private Limited Company? Der offizielle Weltrekord liegt bei 18 Minuten. Ganz so schnell ging es bei mir allerdings nicht, da der Antrag erst nach Überweisung der Anmeldegebühr bearbeitet wird. Sobald das Geld eingegangen ist, dauert es in der Regel nicht länger als einen Tag, bis du eine E-Mail von der Registrierungsstelle (Estonian Court) bekommst. Beschleunigen kannst du diesen Prozess mit Xolo (damit wird die Wartezeit für die Banküberweisung umgangen). Was kostet die Anmeldung einer Private Limited Company? Die Anmeldegebühr beträgt 190 Euro und muss nach dem Ausfüllen des Online-Formulars überwiesen werden, damit die Registrierung weiter bearbeitet wird. Dazu kommen deine Kosten für die Bewerbung als e-Resident (100 Euro) und eventuell Reisekosten für die Eröffnung des Geschäftskontos in Tallinn. Was kostet die Verwaltung des Unternehmens in den Folgejahren? Die Kosten für das Mieten der virtuellen Geschäftsadresse betragen zwischen 200-400 Euro pro Jahr. Weitere Kosten entstehen nicht, wenn du die Buchhaltung und Steuererklärung selbst übernimmst. Wenn du dafür den Service einer Agentur oder eines Steuerbüros nutzt, solltest du mit monatlichen Kosten von 50-100 Euro planen. Wo registriere ich mein estnisches Unternehmen? Um als e-Resident ein Unternehmen in Estland anzumelden, steckst du dein Kartenlesegerät mit Smart ID Card ein und meldest dich im Company Registration Portal an. Im Hauptmenü wählst du “Submission of application”, woraufhin du unter dem Feld “Registration of a new enterprise” aus einer Liste mit möglichen Unternehmensformen auswählen kannst. Weitere Informationen zur Registrierung kannst du hier nachlesen. Kann ich den Namen des Unternehmens frei wählen? Du kannst vorher im e-Business Register nachschauen, ob dein Unternehmensname noch frei ist. Wie bekomme ich eine Geschäftsadresse in Estland? Du brauchst eine Geschäftsadresse in Estland, um dort dein Unternehmen anmelden zu können. Die Geschäftsadresse muss bei der Online-Registrierung bereits angegeben werden und kann bei verschiedenen Anbietern gemietet werden. Ich kann dir dafür die Agenturen Xolo oder 1office wärmstens empfehlen. Was gehört in den Gesellschaftsvertrag? Die Articles of Association (Gesellschaftsvertrag) kannst du einer Vorlage aus dem Company Registration Portal entnehmen oder in englischer Sprache selbst verfassen (lassen). Wenn es keine besonderen Anforderungen zur Struktur deiner Gesellschaft gibt, dann änderst du in der Standard-Vorlage lediglich ein paar Angaben und kannst diese verwenden. Kann ich als Gründer auch gleichzeitig Geschäftsführer, Shareholder und Angestellter sein? Ja, du kannst in Estland als Einzelperson eine Private Limited Company führen, gleichzeitig der alleinige Eigentümer sein und dir als Angestellter des Unternehmens auch selbst ein Gehalt auszahlen. Brauche ich für mein estnisches Unternehmen eine Umsatzsteuer-ID? Eine estnische Umsatzsteuernummer brauchst du dann, wenn du an Privatkunden innerhalb der EU verkaufst oder dein Umsatz 40.000 Euro im Jahr übersteigt. Die Anmeldung einer estnischen Umsatzsteuer-ID muss spätestens drei Tage nach Erreichen dieser Umsatzgrenze erfolgen. Hier findest du weitere Informationen zur Umsatzsteuer innerhalb der EU. Wie bekomme ich eine Umsatzsteuer-ID? Sobald du dein Unternehmen erfolgreich registriert hast, kannst du beim Estonian Tax and Customs Board eine VAT-Number beantragen. Bei der Beantragung musst du begründen, warum du die Umsatzsteuer erheben möchtest/musst. Die Ausstellung kann bis zu fünf Tage dauern und dann auf den Seiten der Europäischen Kommission überprüft werden. Estnische Agenturen wie Xolo oder 1office übernehmen die Beantragung der VAT-Number für ca. 100 Euro. Kann ich feste Mitarbeiter anstellen? Empfohlen wird die Arbeit mit Freelancern, die auf Rechnungsbasis beschäftigt werden, aber auch eine Festanstellung ist möglich. Sobald du Mitarbeiter über dein estnisches Unternehmen anstellst, musst du diese beim Estonian Tax and Customs Board anmelden und Social Tax abführen. Wie kann ich mein estnisches Unternehmen liquidieren? Insofern dein estnisches Unternehmen keine Außenstände zu begleichen hat (Steuerschulden und andere Verbindlichkeiten), entstehen keine Kosten für die Abmeldung. Die Einlagen können steuerfrei an die Gesellschafter ausgezahlt werden, wenn die letzte Steuererklärung eingereicht wurde. Der offizielle Prozess bis zur endgültigen Liquidierung kann jedoch ein halbes Jahr lang dauern. Ich habe bereits eine Firma liquidiert, was sich zwar hingezogen hat, jedoch mit keinem großen Aufwand un Mehrkosten verbunden war.

Fragen zur Eröffnung eines Geschäftskontos in Estland

Um ein Unternehmen in Estland zu gründen ist es nicht zwingend notwendig, ein estnisches Geschäftskonto zu haben. Alternativen sind digitale Konten bei sogenannten Payment Institutions. Die Eröffnung eines Bankkontos via Online-Identifikation soll auch für Filialbanken möglich gemacht werden. Bis dahin lohnt sich ein Besuch im wunderschönen Tallinn allemal. Die Hin- und Rückflüge aus Deutschland gibt es bereits für ca. 100 Euro. Kann ich das Geschäftskonto in Estland online eröffnen? Aufgrund der strengen Identitätsprüfungen musst du zur Kontoeröffnung derzeit noch nach Tallinn fliegen, was sich jedoch ändern soll. Ende 2016 gab es bereits eine Gesetzesänderung in Estland, die eine Authentifizierung via Online-ID ermöglicht. Der Stand Januar 2019 ist, dass die Banken die Online-Eröffnung von Geschäftskonten immer noch testen. Brauche ich zur Registrierung des Unternehmens bereits ein Geschäftskonto? Nein, du kannst das Unternehmen auch ohne bestehendes Konto eröffnen. Nach maximal drei Monaten musst du das Geschäftskonto dann nachreichen. Bis dahin kannst du den geschäftlichen Zahlungsverkehr auch über ein privates Konto laufen lassen, welches du später über das Geschäftskonto ausgleichst. Kann ich das Geschäftskonto auch außerhalb von Estland haben? Ja, es ist generell möglich ein Geschäftskonto in einem anderen europäischen Land zu nutzen, das im Namen des estnischen Unternehmens eröffnet wird. Seit Anfang 2019 muss auch das Stammkapital von 2.500 Euro nicht mehr zwingend auf ein estnisches Konto eingezahlt werden. Die Nutzung einer Bank vor Ort erleichtert jedoch die Zusammenarbeit mit lokalen Steuerbüros und Agenturen. Welche Filialbanken sind empfehlenswert für das Geschäftskonto? Es gibt derzeit drei Banken, von denen die e-Residency anerkannt und unterstützt wird. Das sind die estnische LHV und die schwedischen Banken Swedbank und SEB. Die schwedischen Banken sind deutlich größer und haben mehr Filialen als die estnische LHV, jedoch fallen dort Kontoeröffnungsgebühren an und es muss ein Anfangsbetrag auf das Konto eingezahlt werden. Zudem ist die Antragsprüfung langwieriger und generell schwieriger als bei der LHV Bank, was sich durch meine E-Mail-Anfragen bestätigt hat. Was spricht für die LHV Bank? Die LHV ist die größte estnische Bank, die auch von TransferWise für alle europäischen Zahlungsvorgänge genutzt wird. Die LHV hat nur eine einzige Filiale in Tallinn, die von innen mehr an einen Uni-Campus erinnert als an eine verstaubte Bank. Der Verzicht auf die klassischen Filialen trägt dazu bei, dass die Konditionen bei der LHV deutlich besser sind als bei anderen Banken in Estland (keine Gebühren für Kontoeröffnung, Kontoführung und Überweisungen). Zudem sind die Mitarbeiter daran gewöhnt, Kunden via E-Mail und Telefon zu betreuen. Das Online-Banking der LHV kannst du mit deiner Smart ID Card nutzen. Welche Gebühren fallen bei der LHV für Kontoführung und Transaktionen an? Es entstehen keinerlei Kosten für die Kontoeröffnung und Kontoführung. Zum Konto dazu gibt es eine Debitkarte (MasterCard) ohne Jahresgebühren. Die Überweisungen im SEPA-Raum (Europa) sind gebührenfrei und die Gebühren für Bargeldabhebungen betragen 1 Euro in der EU und 2 Euro außerhalb der EU. Wie läuft die Kontoeröffnung in Estland ab? Um auf Nummer sicher zu gehen, dass du nicht umsonst nach Tallinn fliegst, kannst du die Kontoeröffnung bereits vorher unter Angabe deiner estnischen ID online oder per E-Mail beantragen ( Online-Antrag der LHV). Nach der Vorab-Bestätigung musst du dich dann vor Ort zwar immer noch mit deiner Smart ID Card und deinem Reisepass oder Personalausweis ausweisen, weißt aber bereits, ob deinem Antrag stattgegeben wird. Hier findest du weitere Informationen zur Kontoeröffnung. Wann bekomme ich den Zugang zu meinem Konto und meine Debitkarte? Wenige Stunden nach der Eröffnung des Geschäftskontos kannst du das Online-Banking deiner Bank nutzen, indem du dich mit deiner Smart ID Card anmeldest. Die Debitkarte wird ein paar Tage später zu deiner hinterlegten Geschäftsadresse in Estland gesendet. Von dort aus lässt du sie dir einfach an deinen momentanen Wohnsitz nachsenden und kannst sie dann über das Online-Banking aktivieren. Kann ich als e-Resident auch ein privates Bankkonto in Estland eröffnen? Ja, bei den drei genannten Banken kannst du dich auch für ein Privatkonto bewerben. Die Konditionen der Banken sind nicht herausragend, dafür ist die Kontoeröffnung im Vergleich zu anderen Ländern sehr einfach und nicht an Bedingungen wie eine lokale Adresse geknüpft. Welche Alternativen gibt es zu den klassischen Filialbanken? Die Eröffnung und Nutzung digitaler Bankkonten im EWR bei sogenannten Payment Institutions (Fintechs) ist günstig, schnell und flexibel. Möglich ist das bei Holvi, Paysera oder Payoneer. Ersterer Anbieter arbeitet eng mit dem e-Residency-Team zusammen, weshalb auch deren Services gut integriert sind (z.B. einfache Anerkennung des eingezahlten Stammkapitals und Anbindung an Buchhaltungsservices). Ich selbst nutze Paysera, die ich aufgrund der einfachen Eröffnung, der Benutzerfreundlichkeit und den geringen Gebühren absolut empfehlen kann.

Fragen zur Besteuerung und Buchhaltung in Estland

Wenn du nicht in Estland wohnst, bist du als Person dort auch nicht steuerpflichtig. Daran ändert auch die e-Residency nichts. Steuern zahlen musst du jedoch auf ausgezahlte Unternehmensgewinne (Dividenden und Gehalt) und eventuell auf laufende Umsätze (VAT). Ein großer Vorteil von Estland ist, dass Gewinne erst besteuert werden, wenn sie das Land verlassen. Die Pflichten zur Buchhaltung und die Absetzbarkeit von Geschäftsausgaben sind ansonsten ähnlich wie in Deutschland. Wie funktioniert die Besteuerung die Estland? Unternehmensgewinne aller Rechtsformen sind solange von der Steuer ausgenommen, wie sie nicht ausgeschüttet werden. Besteuert werden dann nicht der Gewinn, sondern die ausgeschütteten Dividenden (CIT; Company Income Tax) oder Vergütungen. Solange du in dein Business reinvestierst bzw. die Gewinne auf dem estnischen Bankkonto belässt, ohne dir ein Gehalt auszuzahlen oder anderweitig Geld vom Geschäftskonto zu entnehmen, bezahlst du auch keine Steuern. Welche Optionen gibt es, mir Geld auf mein privates Konto auszuzahlen? In dem Moment, in dem Unternehmensgewinne ausgezahlt werden, findet die Besteuerung statt. Zur Auszahlung gibt es drei Möglichkeiten: als Gewinnausschüttung (Dividends), Geschäftsführervergütung (Management board member salary) oder Gehalt (Employee Salary). Je nach Art der Auszahlung ändert sich die Besteuerung, wodurch Gestaltungsspielräume entstehen. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die die Auszahlung von Dividenden oder Vergütungen für den Geschäftsführer vorschreiben. Wie werden Dividenden besteuert? Der Steuersatz für ausgezahlte Dividenden beträgt 20%. Die CIT (Company Income Tax) berechnet sich nicht am Gewinn, sondern an den ausgezahlten Dividenden, also dem Betrag, der das Land verlässt. Dabei wirst nicht du als Person in Estland besteuert, sondern dein Unternehmen. Ob du die Ausschüttung an deinem steuerlichen Wohnsitz als Kapitalertrag versteuern musst, hängt von deiner persönlichen Steuerpflicht ab. Wann kann ich Gewinne als Dividenden auszahlen? Die ersten Gewinnausschüttungen können vorgenommen werden, nachdem das Stammkapital von 2.500 Euro auf ein estnisches Geschäftskonto voll eingezahlt wurde. Gewinne können jeweils nur vom Vorjahr an dich und andere Anteilseigner ausgeschüttet werden, also frühestens im zweiten Jahr nach Gründung. Wie wird die Geschäftsführervergütung besteuert? Die Management Board Member Salary (Geschäftsführervergütung) ist die Vergütung für deine Arbeit als Direktor/Vorstand des Unternehmens, die bei Auszahlung mit 20% Personal Income Tax (Einkommenssteuer) in Estland besteuert wird. Unabhängig davon, ob du in Estland lebst oder nicht, kommen weitere 33% Social Tax hinzu. Wenn du nicht nachweisen kannst, dass du Sozialabgaben in einem anderen EU-Land leistet, kannst du dich auf Antrag mit der A1 Form von der Social Tax befreien lassen. Wenn du in Deutschland steuerpflichtig ist, dann wird die Vergütung dank eines Abkommens zwischen Estland und Deutschland nicht doppelt besteuert. Wie wird ausgezahltes Gehalt besteuert? Employee salary (Gehalt) kannst du dir für deine Arbeit als angestellte Fachkraft (nicht als Manager) deines eigenen Unternehmens auszahlen. Als Nicht-Resident, also jemand, der die Arbeit außerhalb Estlands verrichtet, musst du weder Einkommenssteuer noch Social Tax auf das ausgezahlte Gehalt bezahlen. Ob und wo du das Einkommen aus unselbständiger Arbeit dann an deinem Wohnsitz versteuerst, interessiert die estnischen Behörden herzlich wenig. Warum sollte ich mir nicht 100% steuerfreies Gehalt auszahlen? Auf den ersten Blick scheint die dritte Option sehr lukrativ. Wir wurden jedoch davor gewarnt, dass wir nicht sämtliche Auszahlungen als Gehalt vornehmen sollen. Ganz einfach, weil es sehr verdächtig wäre, wenn wir als Geschäftsführer nur ein Gehalt als Fachkraft und keine Vergütung für das Management unseres Unternehmens bekämen. Deshalb die Empfehlung, die Auszahlungen teilweise als Geschäftsführervergütung und teilweise als Gehalt zu versteuern (z.B. 30/70). Je größer der Anteil an steuerfreiem Gehalt ist, desto wahrscheinlich sind Nachfragen der estnischen Steuerbehörde. Wie hoch ist der Umsatzsteuersatz in Estland? Der volle Satz beträgt 20%. Der ermäßigte Steuersatz ist für digitale Geschäftsmodelle nicht relevant. Mehr zur Umsatzsteuer für digitale Geschäftsmodelle findest du in diesem Beitrag. Gibt es einen Steuerfreibetrag? Nein, es gibt keine monatlichen oder jährlichen Steuerfreibeträge für ausgezahlte Gehälter, Vergütungen oder Dividenden. Müssen betrieblich bedingte Ausgaben außerhalb Estlands versteuert werden? Nein, wenn es sich klar um geschäftliche Ausgaben handelt, dann müssen sie nicht als Entnahmen versteuert werden. Was ist, wenn ich als Geschäftsführer des estnischen Unternehmens in Deutschland lebe? Zwischen Deutschland und Estland gibt es ein Doppelbesteuerungsabkommen. Da mit der e-Residency kein steuerlicher Wohnsitz begründet wird, bleibst du als Inhaber mit deinem Einkommen in Deutschland steuerpflichtig. Alle ausgezahlten Gewinne aus der estnischen Firma musst du also in Deutschland versteuern. Wenn du einen festen Wohnsitz in Deutschland hast und ein Großteil deiner Geschäfte in Deutschland stattfindet (Büro, Lager, Kunden), dann kann es sein, dass dein estnisches Unternehmen durch das Vorliegen einer Betriebsstätte in Deutschland steuerpflichtig wird. Muss ich die estnischen Unternehmensgewinne in Deutschland anzeigen und versteuern? Jein. Solange du in Deutschland nur eine unselbstständige Niederlassung betreibst, ist das estnische Unternehmen bis zu bestimmten Umsatzgrenzen nicht steuer- und buchführungspflichtig. Bei Überschreiten dieser Grenzen ist das Unternehmen beschränkt (also mit Gewinnen, die der deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden können) körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig, wenn eine Betriebsstätte in Deutschland vorliegt. Weitere Information zur steuerlichen Regelung und der Unterscheidung zwischen unselbständiger und selbständiger Betriebsstätte findest du beim Bundeszentralamt für Steuern. Muss ich mein Unternehmen einem externen Audit unterziehen? Eine Überprüfung des Jahresabschlusses durch einen externen Auditor ist erst dann nötig, wenn der Jahresumsatz mehr als 1.000.000 Euro beträgt, deine Bilanzsumme 500.000 Euro überschreitet oder du mehr als 15 Mitarbeiter anstellst (2 der 3 Bedingungen müssen zutreffen). Wann endet das Fiskaljahr in Estland? Wie auch in Deutschland startet das Geschäftsjahr am 01.01. und endet am 31.12. Wenn du dein Unternehmen nach dem 01.07. eines Jahres anmeldest, musst du den ersten Jahresabschluss erst im Folgejahr machen, also gemeinsam für das erste und zweite Geschäftsjahr einreichen. Wann muss ich die jährliche Steuererklärung einreichen? Die jährliche Steuererklärung muss bis spätestens sechs Monate nach Ende des Geschäftsjahres über das e-Tax Board eingereicht werden. Alle erfoderlichen Dokumente (wie Jahresabschluss) können über das e-Business Portal hochgeladen werden. Unterstützung bei der Einreichung bieten Dienstleister wie Xolo. Welche Ausgaben kann ich über das estnische Unternehmen absetzen? Alle betrieblich bedingten Ausgaben können bis auf wenige Ausnahmen (Home Office außerhalb Estlands, Firmenwagen, Immobilienkauf und Tagespauschalen) geltend gemacht werden. Die Ausgaben, auch außerhalb von Estland, unterliegen keiner Steuerpflicht. Eine Ausnahme besteht für Geschäftsessen, die in Estland als Gehaltsnebenleistungen (Fringe Benefits) der Einkommenssteuer unterliegen. Kann ich Reisekosten über das estnische Unternehmen abrechnen? Wie alle anderen Kosten müssen auch Reisekosten für Flüge, Unterkünfte oder Verpflegung betriebsbedingt sein. Tagespauschalen für Reisen können pro Monat für 15 Tage mit 50 Euro und die restlichen Tage mit 32 Euro angesetzt werden. Wer als digitaler Nomade um die Welt reist und nicht gerade Journalist ist oder sein Geld als Reiseblogger verdient, sollte mit den Reisekosten vorsichtig sein. Muss ich auf Ausgangsrechnungen eine estnische Umsatzsteuer-ID angeben? Ja, immer dann, wenn deine Leistung umsatzsteuerpflichtig ist. Das ist dann der Fall, wenn dein Jahresumsatz 40.000 Euro überschreitet oder du an Privatkunden innerhalb der EU verkaufst. Wie funktioniert die Umsatzsteuererklärung in Estland? Die Erklärung muss jeweils bis zum 20. des Folgemonats eingereicht werden. Das kannst du selbst über das eTax-Portal machen oder einen Dienstleister wie Xolo oder 1office damit beauftragen.

Was bleibt noch zu sagen zur e-Residency in Estland?

Ich denke es ist klar geworden, dass Steuermotive nicht für Estland als Unternehmensstandort sprechen. Interessant finde ich die Option e-Residency jedoch für alle Freelancer und Unternehmen, die sich international aufstellen und keinen festen Wohnsitz haben. Mittlerweile ist auch die Eröffnung eines Bankkontos ohne Anreise möglich, was ein weiteres gutes Argument für Estland ist. Für mich bleibt noch abzuwarten, wie aufwändig sich der erste Jahresabschluss erweist, der jetzt bevorsteht. Sobald ich erste Erfahrungswerte sammeln konnte, werde ich natürlich berichten. Neben den bereits angebotenen Services wird sich das e-Residency Programm in den nächsten Jahren ganz sicher weiterentwickeln. Spannend wird es vor allem dann, wenn andere Regierungen ähnliche Modelle einführen und die virtuelle Staatsbürgerschaft über Ländergrenzen hinweg genutzt werden kann. Ein solcher Ansatz innerhalb von Europa ist der Digital Single Market ( eIDAS), der europaweit anerkannte eID's beinhaltet. Mich würde brennend interessieren, wie du über die e-Residency denkst und ob du diese schon aktiv genutzt hast. Lass es uns wissen, indem du deine Erfahrungen in den Kommentaren mit uns teilst.

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